Ich habe ihn nicht erst einmal gehört, den Satz: „Ich hätte auch gern so viel Selbstbewusstsein wie du!“ Und ja, gäbe es wirklich nur die Antwortoptionen „ja“ und „nein“ auf die Frage: „Bist du selbstbewusst?“, dann müsste ich wohl mit „ja“ antworten. Ich habe ein gewisses Selbstbewusstsein und lasse meine Außenwelt daran teilhaben. Bevor ich euch jedoch aufzeige,  welche Anstöße ich euch zu dem Thema geben kann, möchte ich, dass ihr wisst: Selbstbewusstsein ist keine Lampe, die bei den einen Menschen hell leuchtet und bei den Anderen nicht.

Jeder von uns befindet sich Zeit seines Lebens auf einer schwindelerregenden Achterbahnfahrt. Mal dürfen wir laut jubeln, mal möchten wir kotzen und einfach nur aussteigen. Ich kann euch erzählen, warum ich laut vor Freude schreien kann, so dass es jeder hört. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht auch Talfahrten erlebe, mich aus der Bahn werfen lasse oder manchmal gar nicht mehr weiß, wie es weiter gehen soll. Mein Selbstbewusstsein befreit mich nicht von Unsicherheit, Angst und Schuldgefühlen. Es ist vielmehr ein Lautstärkeregler für meine Meinung, meine Emotionen und meine Persönlichkeit.

Sei dir selbst bewusst

Ich finde mich grundsätzlich ziemlich gut. Klingt eingebildet? Nein, es ist einfach nur ehrlich. Wir sind selbst unsere größten Kritiker und dürfen genau deswegen genauso gut auch unsere größten Fans sein. Kein Mensch der Welt kennt mich so gut, wie ich mich selbst. Wenn ich also trotz diesem ganzen unzensierten Wissen über meine Macken, meine Fehler, Talente, Problemzonen und Schokoladenseiten immer noch sagen kann: „Ich finde mich gut“, dann ist das nicht eingebildet. Sondern eine reflektierte valide Meinung, die ich über mich selbst habe.

Diese Meinung hat sich gebildet, indem ich mein Leben lang schon ganz bewusst wahrgenommen habe, was ich so alles mache und tue. Sowas fängt als Kind an. Wenn du ein Bild malst, es anschaust und dir, noch bevor zu losrennst und es deinen Eltern zeigst, denkst: „Ui, das ist hübsch geworden.“ Es geht weiter in der Schule. Wenn du endlich einen komplizierten Rechenweg nach der vierten Übung durchblickst. Dieses Klick-Gefühl in deinem Kopf, noch bevor du eine gute Note dafür kassierst. Oder im Job. Wenn du weißt, du hast heute ganz schön was geschafft, gute Ideen gehabt, einer Kollegin weitergeholfen oder einfach wieder einmal dafür gesorgt, dass alles funktioniert.

Selbstbewusstsein, weil du nicht selbstverständlich bist

Oft sehen wir das, was wir schon erreicht haben als viel zu selbstverständlich. Einen Abschluss machen. Eine Wohnung finden. Eine gute Bolognese kochen und das Kind immer pünktlich abholen. Das ist doch nichts Besonderes. Das macht doch jeder oder? Erstens: Nein. Selbst Dinge, die dir und mir pille palle und selbstverständlich erscheinen kann nicht jede:r bewerkstelligen. Wie viele Leute machen keinen Abschluss? Finden keinen Job? Lassen sich die Wohnung von Papi suchen? Zünden diese dann beim Bolognese-Kochen an und schmeißen ihr Neugeborenes aus dem Fenster?  Nicht viele! Aber wenigstens gehörst du nicht zu diesen Nicht-Vielen Menschen. Grundsätzlich haben wir alle also schon mal sehr viel geschafft, dessen wir uns gerne mal bewusst sein dürfen.

Diese Selbstverständlichkeiten werden dann natürlich noch ganz individuell aufgestockt. Einerseits natürlich mit Talenten, die uns auf bestimmten Gebieten das Selbstbewusstsein stärken können. Allerdings ist es egal, was du kannst. Es wird immer irgendwo ein kleines chinesisches Kind geben, das besser darin ist als du. Außerdem werden jetzt viele sagen: Aber ich habe kein Talent. Ich kann NICHTS besonders gut! Mag sein, aber trotzdem hat – und da verwette ich meine dicke fette Katze drauf – jede:r, der/die das hier liest in seinem Leben schon irgendetwas bewerkstelligt, was über die oben genannten Selbstverständlichkeiten hinaus geht. Oder sogar bemerkenswert ist.

Started from the Bottom now we…. still not at the top – but its pretty nice here tho

An dieser Stelle plaudere ich gerne mal ein bisschen aus dem Nähkästchen. Ich erzähle euch, warum ich jedem mit erhobener Nase ins Gesicht lache, der/die meint, ich hätte außer Abitur, ein bisschen Instagram und ein paar Tattoos in meinem Leben nichts erreicht. Erstmal gebe ich zu: Ich habe nichts besonders Tolles vorzuweisen. Ich bin mit fast 30 noch nicht reich, habe keine Karriere gemacht, aus mir ist kein Münchner Z-Promi geworden. Ich habe kein cooles Kind in die Welt gesetzt, außer Bitches, Fuckboys und die Straße nichts studiert und kein Hobby, in dem ich irgendwie besser wäre als der Durchschnitt. Ganz ehrlich, ich habe aktuell weder ne gute Altersvorsorge und noch nicht mal meinen Autokredit abbezahlt. Was gibt mir also das Recht, die Nase so hoch zu halten und zu behaupten: Doch, ich habe schon ziemlich was gerissen.

Naja, wie wäre es mit: Meinen ersten Nebenjob hatte ich mit 14. Neben der Schule die ich in einem Gymnasium in Bayern mit Abitur abgeschlossen habe. Mit 18 bin ich ohne einen Cent Hilfe von Zuhause ausgezogen und habe meine Ausbildung gemacht. Während andere für ihre erste Bude mit Mutti und Vati nach Ikea gefahren sind, habe ich alles, was ich brauchte selbst erarbeitet und gekauft. Es war Anfangs nicht viel und vielleicht bin ich heute „nur“ angestellt in einer Kanzlei, statt eine zu führen. Aber ich schaue heute in meinen Kleiderschrank, auf mein Auto und auf meine aufgespritzten Lippen, genauso wie ich mit Anfang 20 auf meinen vollen Kühlschrank und meine ersten gebrauchten E-Bay Möbel geschaut habe: Stolz, selbstbewusst und mit dem Wissen, dass das alles nur von mir selbst kommt.

Ihr seht, es ist egal ob du dir einen Benz, ein Billy Regal oder einen Satz neue Buntstifte für dein Kind leisten kannst. Jeder von uns leistet großartiges, mit den Mitteln die ihm/ihr zur Verfügung stehen. Mach dir das bewusst. Wenn du denkst, du hast in deinen bisherigen Lebensjahren noch nichts erreicht, dann schau dir deinen Werdegang nochmal aus einer Weitwinkel-Perspektive an. Wo warst du vor 5 Jahren? Wo vor 10? In einer unglücklichen Beziehung, die du hinter dir gelassen hast? Auf der Suche nach dem richtigen Job? Ohne Kontakt in einer neuen Stadt? Wie sah dein Bücherregal aus und wer waren/sind deine Freunde?

Was man im Leben alles geschafft hat, sieht man weder am Kontostand, noch an der Followerzahl und auch nicht, wenn man in den Spiegel schaut.

Unsichtbare Talente

Selbstbewusstsein entsteht, indem wir uns selbst sicher sind bei dem was wir ausstrahlen und wie wir wirken. Denkt dabei mal nicht nur an die typischen äußeren Merkmale selbstbewusster Menschen (zb. Blickkontakt, offene Köperhaltung, aufrechter Gang, sichere Stimme etc.) Es gibt so viel Immaterielles, das uns ausmacht und das wir mal bewusst wahrnehmen sollten. Ich kann zum Beispiel überhaupt nicht gut zuhören. Sogar bei meinen engsten Freunden merke ich immer wieder: Wenn mich das Gesprächsthema gerade nicht brennend interessiert, fällt es mir schwer geistig anwesend zu bleiben. Die meisten Leute um mich herum jedoch können extrem gut zuhören. (Müssen sie ja auch, weil ich rede wie ein Wasserfall auf Crack.)

Fall ihr also diese Tugend habt, seid euch dessen bewusst und nehmt mal ganz gezielt war: „Wow, heute habe ich Timo 20 Minuten lang zugehört, wie er über seine stinklangeilige Familiengrillfeier gelabert hat.“ Oder bist du vielleicht sehr empathisch und kannst dich besonders gut in Andere hineinversetzen? Vielleicht kannst du, so wie ich, andere ohne Mühe zum Lachen bringen? Kann man sich gut auf dich verlassen, bist du wissbegierig, behältst Geheimnisse immer für dich oder sorgst dafür, dass nach einer Party alle heil nach Hause kommen? Nimm bewusst war, wie und wo du Gutes tust, dein Potenzial nutzt und was du alles so machst. Auch das, was man nicht sieht, sondern nur fühlt. Das nächste Mal, wenn du in so einer Situation bist, in der du einfach bist, wie du bist und dir das absolut leichtfällt, spür in dich rein:  Sei (dir) selbstbewusst.

Selbstbewusstsein auch gegenüber deinen Fehlern

Auch ich kann es nicht mehr hören. „Du musst dich selbst akzeptieren! Liebe dich selbst! Du bist gut, so wie du bist! Selfcare!“ Bullshit! Ich bin selbstbewusst und find mich cool. Aber trotzdem will und muss ich nicht akzeptieren, dass meine Stirn mit 28 schon Falten wirft. Ich kann das sogar so scheiße finden, dass ich mir Botox in die Visage spritzen lasse und jeden Morgen mit so einem dämlichen pimmelfarbigen Steinroller in meiner Fresse rumroller. Nur damit ich noch ein paar mehr gute Jahre auf dem Tacho habe.

Du musst nicht zu 100% mit dir im Reinen sein, um selbstbewusst sein zu können. Selbstbewusstsein ist nicht bedingungslose Selbstakzeptanz. Ich kann ja auch ganz bewusst schmecken, dass an die Suppe noch ein bisschen Salz gehört und dann nachwürzen. Genauso kann ich ganz selbstbewusst sagen: Meine Haare sind dünner als eine anorektische Top-Model Kandidatin und meine Waden zu fett für Winterstiefel von Deichmann. Du musst also nicht mit dir selbst rundum zufrieden sein, um dich stark zu fühlen und das auch nach außen zu tragen. Wichtig ist aber, dass du gut mit dir auskommst. Nicht nur mit deinem Erscheinungsbild, das du immerhin ein bisschen nach deinen Wünschen modifizieren kannst. Sondern auch mit deinem Inneren.

Du verstehst nichts von Immobilien, hast überhaupt keinen Draht zu Kindern, bist beim Feiern die, die als erstes geht oder hast Angst vor Achterbahnfahren? So what? Du kannst natürlich bei vielen Dingen versuchen daran zu arbeiten. Vor allem, wenn wirklich ein Leidensdruck besteht, macht das Sinn. Aber ist es nicht auch ab und an vollkommen okay zu sagen: “Ich kenne meine Schwäche und ja das ist scheiße und nervt mich, aber es ist halt so.”

Ich kann mir zum Beispiel mein fehlendes Feingefühl und meine Bindungsangst nicht wegmeditieren. Oder mir jeden Tag motivierende Post-its dagegen schreiben. Aber ich kann damit eigentlich ganz gut leben. Und wenn dann jemand kommt und sagt: „Hey Kitteh, das war echt unsensibel von dir, was du gesagt hast“, kann ich relativ selbstbewusst erwidern: „Oh Mann, stimmt, ich hätte das feinfühliger ausdrücken müssen, tut mir leid. Ich bin ein unsensibler Penner manchmal.“
Ist dann die Welt untergegangen? Nein. Statt unsere Macken und Fehler zu einer Quelle für Unsicherheit werden zu lassen, können wir sie selbstbewusst wahrnehmen. Dann können wir Strategien entwickeln damit zu leben.

…to be continued. Teil 2 kommt am 03. Mai 2022 online!

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