Für alle, die immer sagen: “Kitteh, schreib doch ein Buch!” – Schreibt doch selber mal ein verschissenes Buch, wenn das so einfach ist! Ich habe ja schon öfters anklingen lassen, dass ich bereits etliche Textstückchen auf meine Festplatte prokrastiniert habe. Ohne dass ich in der Lage wäre eine zusammenhängende Story daraus zu schustern. Aber bevor ich diese Perlen ganz vor die Säue werfe – oder irgendwann in 15 Jahren mal mit ganz viel Scham wiederfinde – hier habt ich sie. Diese kleine Perle suburbaner Ghettobelletristik handelt von meinem ich-minus-1,5-Jahre. Und von Tinder, Trachten, Otto und sie ist voll von viel liebevollem Sarkasmus. Viel Spaß damit!

Die Ausgangslage

Es ist mal wieder so weit. Manchmal im Leben muss ein Millenial tun, was ein Millenial tun muss. Da sind wir nun, es ist Freitagabend. Ich sitze allein mit Otto an der Ikea-Schreibtisch-Konstellation, die ich notdürftiger Weise als Esstisch deklariere und wir teilen uns eine Dose Nudelsuppe. Falls ihr jetzt denkt, Otto wäre mein sexy Lover muss ich euch enttäuschen. Otto ist meine Katze. Und dass wir uns öfter mal das Abendessen teilen sieht man ihr inzwischen auch deutlich an. Denn im Gegensatz zu mir bekommt Otto auf meinen 43 Quadratmetern Singlewohnung nur relativ wenig Auslauf. Deswegen haben Fertiggerichte und der ein oder andere Löffel Erdnussbutter bei ihr schon ein bisschen angesetzt. Ja, “Ihr” – Otto ist ein Mädchen, aber fragt einfach nicht…

Resigniert schiebe ich ihr das letzte Stückchen Industriefleisch rüber zu meiner Gender-verwirrten Katze und starre auf mein Smartphone. Jetzt bin ich schon seit ganzen 27 Tagen single und es hat bisher noch kein einziger Anwärter auf den Job als mein neuer Loverboy an meiner Wohnungstür geklingelt! (Naja, außer, man zählt den Lieferando-Boten dazu. Aber obwohl dieser Mann wirklich immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben wird, pflege ich üblicherweise niemanden dafür zu bezahlen, der meine Gelüste befriedigt.) Auch wenn man denkt, als junge, attraktive Frau Mitte zwanzig könnte ich keine bessere Ausgangslage haben. Es ist gar nicht so leicht jemanden kennenzulernen. Denn außer Tinder hält mein Leben einfach nicht viele Möglichkeiten bereit auf Beutefang zu gehen. (Und damit meine ich mich als Beute zum Fang auszuliefern.)

Fitness-Dating? Ohne mich.

Schauen wir uns nur mal das klassische Fitnessstudio an. Wirft man ein Auge auf die Zielgruppe, findet man in Billig-Ketten hauptsächlich den klassischen “Pumpel” vor. Der ist geistig gerade so in der Lage ist sich ein Golds-Gym-Tanktop zu kleiderkreiseln und bereit ist sein mickriges Türstehergehalt auszugeben um sich von BWL-Studenten sagen zu lassen was für “massive Gains” er gemacht hat. Die wiederum haben aus lauter Langeweile ihre B-Lizenz zwischen einem Mallorca-Urlaub und der nächsten gekauften Hausarbeit eingeschoben .

Investiert man mehr als einen Zwanni im Monat um sich in Form zu halten, trainiert man hingegen Seite an Seite mit Hausfrauen Mitte/Ende 40. Solche, die ihren “frechen Kurzhaarschnitt” mit Schweißbändern vor den drei Tropfen Flüssigkeit schützen, die sie eher geschuldet der einsetzenden Wechseljahre, als aufgrund körperlicher Belastung verlieren. Oder aber man konkurriert dort mit reich geborenen Fitness-Schönheiten. Deren mehr genetisch als ehrgeiz-bedingte Prachtärsche werden jeden Tag in eine andere farblich abgestimmte Gymshark Kombi aus Leggins und langärmeligem Crop-Top Größe XS gezwängt. (Den Sinn hinter dieser Art von Kleidungsstück habe ich bis heute nicht verstanden. Wenn mir beim Training so kalt ist, dass ich meine Unterarme bedecken muss, was hilft es mir dann, wenn alle Organe unterhalb meiner Brüste entblößt werden?)

Zwischen diesen zwei Extremen gibt es erstaunlich wenig. Entweder du wirfst deine Perlen vor die Säue, oder du trainierst zwischen denen die schon Echte tragen. Ich habe selbstverständlich beides ausprobiert. Das größere Problem daran, wenn man unter Pumpels dated, beginnt erst, wenn es nicht klappt. Dann kann man nämlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fünft mal die Woche einen Walk of Shame zwischen Freihantelbereich und Crosstrainer abschreiten. Nein, Danke.

Endstation Tinder

Okay, Fitnessstudio ist also keine Option für die Partnerwahl. was bleibt also noch um von Mr. Big gefunden zu werden? Freundeskreis? Kommt schon. Das wäre, wie wenn ein Blinder sich Hilfe von den Blinden erhofft. Ich habe grundsätzlich einige ganz tolle Exemplare Mann, die ich Freunde nenne. Aber entweder sie gehören zu der Liga der außergewöhnlichen 5,8 Gentlemen, mit deinen ich, obwohl sie äußerst attraktiv sind, nicht schlafen würde. Weil ich einfach schon zu viel von ihnen weiß bzw. kein Interesse an einem Ausflug in die faszinierende Welt der Geschlechtskrankheiten habe. Oder aber sie sind absolut nicht mein Typ, beziehungsweise schwul.

Natürlich könnte man sich auch ganz klassisch, vor allem beim Stichwort Freitagabend, ein Schätzchen in irgendeinem Münchner Nobel-Club oder (es ist Ende des Monats, und diese Woche waren auch noch Winterreifen fällig) in der nächsten Dorfdisko einfangen. Tja, Corona nimmt mir auch das letzte bisschen Hoffnung auf einen halbwegs würdevollen Liebesraubzug.

Flirtreife Fotos

Da sind wir also. Ich, Otto und das kleine Ikon mir der Flamme das mich aus dem App-Store freundlich anlodert. Been there, done that. Also los, tragen wir das Feuer nach Athen. Oder besser gesagt mögen die Olympischen-Spiele im “Hey”- “Hi” – “Wie gehts so?”- “Gut und dir?” – “Auch. Lust zu Ficken?” beginnen. Vorher muss ich mir allerdings ein möglichst einladendes, aber auf keinen Fall zu forderndes Flirt-Profil erstellen. Fotos? Kein Problem, ich bin, sobald ich mal geschminkt und ordentlich angezogen bin echt hübsch und model auch ganz gerne mal. Es existieren also mehr als genug perfekt gephotoshoppte Bilder.

Es soll alles ganz natürlich und unangestrengt wirken. Ich, im Glitzerbikini mit einer Duschbrause in der Hand? Zu offensiv. Ich, im Latexoutfit mit 20 cm hohen Fuck-Me-Boots? …mmhhm …ich denke nicht. Ich, in Lederjacke und Sneakers? Perfekt! Dann noch ein schönes Portrait mit viel Weichzeichner und ein vollkommen gestelltes Urlaubsbild im Bikini zusammen mit meinem aufblasbaren Flamingo Ingo (das mediterrane Aperol-und Pizzabäuchlein musste ich auch nur ein ganz klein wenig mit Facetune reinschieben).

Zu guter Letzt ein richtig niedliches Selfie, auf dem ich hauptsächlich süß grinse, weil ich einen dicken Dürüm in der Hand habe. Die Auswahl ist perfekt, Mr. Big in Spe sieht gleich auf den ersten Wisch, dass sich sexy und lebensfroh bin und gerne esse. Wobei er trotzdem annimmt dass ich 365 Tage im Jahre meine Kohlsuppen-Diät-Form halte.

Wie man keine Tinder Bio schreibt

Die größere Herausforderung ist auf jeden Fall die Bio. Wie soll ich denn in knapp 100 Zeichen beschreiben wer ich bin? Geschweige denn warum man mich daten sollte? Es gibt natürlich die absolute Looser-Variante: Einfach nur irgendwelche wilden Emojis aneinanderreihen. Das Gegenüber kann dann herausrätseln, dass man genau wie jeder andere Mensch auf der Welt gerne isst, trinkt und Urlaub macht. Sehr kreativ.

Irgendwie habe ich da schon höhere Ansprüche an mich. Man möchte zwar meinen in Anbetracht meines Schreibtalents sollte es mir doch nicht schwer fallen da schnell einen kleinen witzigen Aufreißer hin zu tippen. An Ideen fehlt es mir auch nicht. Ich bin ich ein Springbrunnen an Wortwitz. Aber „Einsame sucht Einsamen zum Einsamen“ und „Ich bin zwar keine Schwanzgierige, aber manchmal eine ganz Schwierige“ erweckt einfach den falschen Eindruck. Sowas bietet zu viel Angriffsfläche für ungewollte Sextings und Dickpics.

Also halte ich mich mit meiner sprachlichen Kreativität etwas zurück und entscheide mich für: „178cm Suburbane Belletristik.” (Wer ab hier noch weiter liest hat also mindestens schon mal einen IQ und eine Körpergröße > 178). “Meine Hobbys sind Lesen, Kakao und bei Kollegah mitrappen.“ Denke das müsste passen.

Auf Tinder kommt es nur auf die Größe an

Es ist übrigens tatsächlich Gang und Gebe bei solchen Dating-Apps direkt auf die eigene Körpergröße zu verweisen. Für Giraffen-Frauen wie mich ist das einfach notwendig, wenn wir nicht bei ersten Blind-Date auf einmal mit einem Umpalumpa spazieren gehen wollen. Für die Kerle – wenn sie nicht mit unter 1,70 tatsächlich in Charlies Schokoladenfabrik arbeiten könnten und somit selbst vor einer Herausforderung bei der Partnersuche stehen – ist es jedoch nur primitives Balzgehabe. Oh, ich bin 1,85 groß, das ist aber auch schon das einzige unfassbar männliche an mir.

Außerdem sind diese Angaben auch immer ein bisschen mit Vorsicht zu genießen, wie ich feststellen musste. Schreibt ein Mann in seiner Tinder-Bio, dass er 1,82 sei, ist er nämlich ziemlich sicher nur 1,77. Denn das ist ja so gut wie 1,80 und die zwei Zentimeter schenkt er sich selbst noch. Frauen lügen ja auch was ihr Alter angeht und mit den Nike-Air ist man ja auch mindestens 1,5 Zentimeter größer. Dabei beachten die Kerle leider nicht, dass wir Frauen relativ selten barfuß neben ihnen her watscheln, sondern höchstwahrscheinlich eher mal einen kleinen Absatz tragen. Im Falle dass das Match in eine Beziehung führt, berauben sie uns mit ihrer Notlüge für immer der Befriedigung unsere hart erkauften High-Heels an ihrer Seite zur Schau zu tragen. Bye bye, Riemchensandalen mit Plateau, hallo H&M-Stoffschuhe mit Pappsohle.

Ich persönlich verlasse mich zu meiner Sicherheit erst ab einer Größenangabe von mindestens 1,88 darauf, dass mein Gegenüber mindestens genauso groß, im unwahrscheinlichen besten Fall sogar eine Hand breit größer als ich ist. Männer, die in Ihrer Bio ein Maß über 1,90 angeben, bekommen von mir automatisch ein Like, wenn sie nicht wirklich absolut aussehen wie der Glöckner von Notre Dame. Oder eine Tracht tragen.

Tracht auf Tinder? Nach links bitte!

Ich weiß, dass es in Bayern und vor allem im elitären Münchner Bonzen Milieu als absolutes Statussymbol gilt, sich einmal im Jahr in einem von der Firma gesponserten Wiesenzelt mehrere Liter Bier in die Sakristei zu orgeln. Gefolgt davon, paarungswilligen Weibchen im Dirndl „Ich bin so stark stark stark wie ein Tiger“ in den gerüschten Ausschnitt zu grölen. Aber für mich ist das nichts. Nicht nur dass ich weder mit Bier noch dem Oktoberfest als solchem etwas anfangen kann. Einen Mann mit ledernen Latzhosen und Kniestrümpfen kann ich einfach nicht ernst nehmen. Am schlimmsten ist es, wenn sie diesem Hampelmann-Outfit dann auch noch mit einem dieser Hüte krönen, an dem solche Quasten aus Wildschweinborsten hängen. Vaterkomplex gut und schön, aber ich habe nicht vor den Wilden Kaiser zu besteigen und will auch nicht den Alm-Öhi bumsen.

Ich mag ja verstehen, dass so manche Münchnerin die Wiesn nutzt, um sich einmal im Jahr das was Gott, der Doktor, oder der Push-up ihr gegeben hat unters Kinn zu schnallen und fernab von Slutshaming zur Schau zu stellen. Aber bei Haferlschuhen und Hornknöpfen hört für mich der Spaß am anderen Geschlecht auf. Deswegen ist Tracht auf Tinder für mich ein NoGo. Da kannst du von mir aus 2,10 groß sein, im Vorstand von BMW sitzen und Zähne weis wie deine Bierschaumkrone haben. Ich werde dich nicht matchen, solange an deinem Hintern ein Charivari baumelt.

Das ist aber nicht nett – Nein, das ist Tinder.

Inzwischen sind Otto und ich vom Tisch in das vier Schritte entfernte Bett umgezogen. Hier beginne ich bequem mich in mein Verderben zu swipen. Meine Güte, sind diese Typen alle hässlich. Hey, ich spreche hier nur aus was vermutlich tausende Frauen denken, sobald sie diesen Kasten anschmeißen. Jaja, das ist gemein und sowas sagt man nicht. Ist ja nicht so dass Männer DAUERND so über uns reden.

Glaub ihr wirklich Männer streicheln sich durch Tinder und denken sich „Oh was für eine natürliche Schönheit! Janette kann zwar in zwei Richtungen gleichzeitig gucken und der Pickel an ihrem Kinn hat vermutlich seine eigene Postleitzahl. Aber sicher ist sie richtig nett!“ Nein. Tun sie nicht. Und sie sitzen auch nicht bei ihren Männerabenden gemeinsam vor dem Display und unterhalte sich darüber, dass der Mandy, die offensichtlich Silikonbrüste hat, ihr Platinblond wirklich toll steht. Oder wie sie das bloß schafft neben dem Vollzeitjob als Arzthelferin noch 5 mal die Woche zum Sport zu gehen – nein. Wieso sollten wir es uns also verkneifen laut auszusprechen, dass 90% der Männer, die mir vorgeschlagen werden aussehen als hätten sie ein Chromosom zu viel?

Dann gibt es auch noch die, die einfach nicht im Stande sind ein ansprechendes Foto von sich zu schießen. Da wird sich erst mal grundsätzlich von unten fotografiert. Oder aus einer Entfernung, aus der höchstwahrscheinlich nicht einmal ihr Zahnarzt sie sieht. Angesagt sind auch verwackelte Spiegelselfies. Am besten dann noch in schwarz-weis, damit man auch ganz sicher absolut gar nichts mehr von den Jungs erkennt. Manchmal habe ich auch das Gefühl Schullandheim Fotos aus dem Abschlussjahrgang zu sehen, wo Marco, inzwischen 33, seine drei Mitschüler und die Berliner Mauer notdürftig weggeschnitten hat. Was man daran sieht, dass ein Arm von Umfang eines Staubsaugerrohrs schlaff aus dem linken Bildrand über seine schmale Schulter fällt.

Fortschritt durch Technik…

Bevor ich auf Tinder meinen Traumtyp finde, bekomme ich eher eine Sehnenscheidenentzündung. Ich habe diese App jetzt erst einen Abend und mit tut schon die Hand vom swipen weh? Bin das nur ich, mit meinen völlig verkorksten Ansprüchen? Resigniert lege ich das Handy auf den Nachttisch und öffne dessen Schublade. Wenn schon nicht auf mein Smartphone, dann muss ich mich eben auf andere elektrische Devices verlassen können.

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