Juni ist Pride month. Ich finde das wunderbar. Viele streiten sich darüber, ob man so einen Monat überhaupt braucht. Ob man überhaupt „feiern“ muss, dass man nicht heterosexuell ist. Die Heteros feiern ja schließlich auch nicht, dass sie konventionell miteinander vögeln. Tatsächlich ist der Pride month aber weniger zum Zelebrieren im hedonistischen Sinne gedacht. Viel mehr geht es darum Aufmerksamkeit zu schaffen für die bunte Vielfalt an Sexualität. Es geht darum ein Motto zu haben, unter dem jede:r zu Wort kommen und über Sexualität sprechen darf. Ist das nötig? Naja, ist Weihnachten nötig? Ist Ostern „nötig“? Der Valentinstag? Fastnacht? Ja, dass sind alles Feste, die ein gewisses Kulturgut darstellen. Aber wer sagt denn, dass man im 21. Jahrhundert jetzt fertig damit ist Gründe zum Feiern zu finden? Das Jahr hat 12 Monate, 52 Wochen und 365 Tage und damit genug Platz für alle.
Wie komme ich überhaupt darauf mir über den Pride month Gedanken zu machen? Warum ist das ein Thema für meinen Blog? Ich schreibe ja schließlich auch nicht über das chinesische Jahr der Laufente oder den Brustkrebs-Monat. Das liegt daran, dass die Bubble in der ich mich online sowie offline rumtreibe zwar nicht überschwemmt, aber doch angenehm voll von queeren Menschen ist. Pride und Kink haben überall ihre Schnittstellen. Warum das so ist und warum schwarz sogar ein Teil der Regenbogenflagge sein kann, darüber möchte ich euch etwas erzählen.
Was ist Pride?
“Pride” heißt übersetzt “Stolz”. Die Farben der bunt gestreiften Pride-Flagge stehen für verschiedene „LGBTQIA+“-Menschen. Die Abkürzung steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Queer, Intersexuell und Asexuell. Der Zusatz „+“ steht zudem für alle weiteren sexuellen Orientierungen (weil sonst die Abkürzung einfach zu lang werden würde. Oft ist auch von LGBT+ die Rede). Der Begriff Pride umfasst mehr als nur den Stolz dieser Menschen auf ihre Sexualität. Sondern auch die Forderung nach gleichen Rechten und gesellschaftlicher Akzeptanz.
Sind queere Personen kinky?
Nein, nicht alle. Aber viele. Wer oder was kinky ist unterliegt erst einmal überhaupt keiner wissenschaftlichen oder soziologischen Definition. Kinky Sex ist alles, was von der Gesellschaft als ungewöhnlich angesehen wird. Aber es ist bis heute nie einer von Tür zu Tür gegangen und hat 8 Milliarden Menschen gefragt, ob es denn jetzt ungewöhnlich ist seine:n Partner:in in den Arsch zu ficken. (An dieser Stelle kleine Anmerkung für alle „das ist aber wider der Natur und nicht zur Fortpflanzung gedacht“- Anhänger:innen: Wenn die Evolution nicht vorgesehen hätte, dass man Männern etwas in den Po steckt, warum liegt deren G-Punkt dann da drin, ihr Schlauberger?)
Jeder Mensch, ob queer oder nicht, darf selbst entscheiden ob er/sie sich als kinky betrachtet oder nicht. Auch wenn queer sein allein für Beobachter:innen schon als sexuelle Andersartigkeit wahrgenommen werden kann, ist das die Anschauung der anderen, nicht aber die der queeren Person. Ich bin beispielsweise stark tätowiert. Für andere bin ich damit in deren Augen extrovertiert, allein durch mein Erscheinungsbild. Ich empfinde mich jedoch selbst nicht als besonders extrovertiert.
Queer und kinky ist nicht das gleiche
Die Annahme, dass queere Personen vermehrt Bezug zu kinky Sex oder BDSM haben basiert auf jahrelanger Stigmatisierung. Zum einen wird die Rolle der queeren, vor allem homosexuellen Person gern mit Attributen aus dem BDSM-Bereich ausstaffiert. Schwule sind devot, freizügig und tragen enges Leder – so wurde es jahrzehntelang in den Massenmedien dargestellt. Obgleich dieses Schubladendenken langsam nachlässt, ist es dennoch eingebrannt. Der Stereotyp der BDSM-praktizierenden Person ist ebenso markant: Es geht wieder um Leder und devote Männer, die gern den Hintereingang benutzt haben wollen. Und am Ende macht es sowieso jeder mit jedem. Wieso also nicht gleich beides in einen Topf werfen?
Ja, es gibt vermehrt queere Personen, die sich selbst und die ihr Umfeld als kinky empfindet. Eben weil es Teil von Kink ist nicht dem heterosexuellen Stereotyp zu entsprechen und in Sex mehr zu sehen als nur Fortpflanzungstrieb. LGBTQ+ umfasst allerding eine Menge sexueller Paarungen bei denen ein Penis auch ganz herkömmlich in einen Vorder- oder Hintereingang gelangt, ohne dabei besonders ausgefallene Kunststücke durchzuführen.
Kink als Teil der Pride
Wie oben bereits erwähnt, wurde an die Bezeichnung LGBT(…) ein kleines „+“ geheftet um alle sexuellen Orientierungen einzuschließen. BDSM ist für mich eine solche Orientierung, die ihren Platz im Pride Month finden darf. Zwar geht es beim BDSM nicht darum wer wen liebt, bumst oder welchem Geschlecht man sich zugehörig fühlt, aber BDSM und Kinks SIND sexuelle Neigungen. Auf die darf man auch stolz sein. Man darf sich daran erfreuen und soll nicht dafür ausgegrenzt oder benachteiligt werden. Da das kleine „+“ also nie konkret durchdefiniert wurde, kann auch ich als BDSMler mich als Teil der Pride-Bewegung sehen.
Schwierig wird das ganze erst, wenn es um die öffentliche Wirksamkeit von Pride geht. Was Feste, Umzüge, den CSD oder Pride-Demos angeht, herrschen kontroverse Meinungen zur Teilnahme der BDSM-Fraktion. Denn während die meisten anderen queeren Personen bunt und quirlig daherkommen, sind Kinkster häufig (nicht immer) dunkel angezogen. Sie tragen mehr Leder, bizarre Outfits, zeigen eventuell sogar mehr Haut und haben Schlagwerkzeuge bei sich. Diese Optik kann mit Gewalt und Grenzüberschreitung assoziiert werden, auch wenn das sicherlich nicht die Intention der Teilnehmer:innen ist. Es darf aber nicht vergessen werden, dass kinky Praktiken eben genau das sind: Kinky! Also auf eine Mehrheit von Personen ungewöhnlich oder gar einschüchternd wirkend.
Freiheit und Grenzen
Ich finde, dass wir Kinkster uns bei öffentlichen Veranstaltungen an unseren höchsten Grundsatz halten sollten: Konsens. Wir dürfen und sollen Teil der Pride sein. Wir wollen mitmachen. Mitkämpfen. Aufsehen erregen. Aufmerksamkeit schaffen. Wir müssen uns nicht verstecken. Aber unsere Freiheit hört da auf, wo die Freiheit unserer Mitmenschen anfängt. Konsens bedeutet, dass alle Beteiligten mit etwas einverstanden sind. Es ist nicht okay sich ungefragt vor anderen zu entblößen. Wenn es nicht in Ordnung ist, ohne Konsens eine andere Person zu schlagen, dann ist es genauso nicht okay andere ohne Konsens dabei zusehen zu lassen. Wir sollten also beim Ausleben unserer Freiheit zwischen Optik und Praktik unterscheiden. So kann BDSM Teil der Pride, aber eben nicht übergriffig sein.
Tatsächlich gibt es aber auch Menschen, die sich bereits an der reinen Erscheinung von BDSMlern bei Pride-Veranstaltungen stören. Diese Stimmen, laut denen Hundemasken, Latexanzüge und Pferdegeschirre auf der Pride nichts zu suchen haben, lassen sich nicht überhören. Sicher, diese äußeren Erscheinungsformen können befremdlich wirken. Aber geht es nicht gerade darum? Personen einen Raum zu geben, die wegen ihrer sexuellen Gesinnung oder Optik Ausgrenzung erfahren? Wer entscheidet, dass ein Mann mit Schweineschwänzchen jetzt anstoßerregender ist als ein Mann in einem Kleid oder eine Frau mit Schnurrbart? An dieser Stelle möchte ich noch meinen bisher viralsten Twitter-Post zitieren:
Pride, Kink und Kinder
Ein Argument, das Pride-Gegner generell, aber auch Pro-Pride-contra-Kink Stimmen aufgreifen ist: BDSM ist nichts für die Augen von Kindern. Das ist richtig. Per se ist Teilnahme (aktiv oder passiv) an Sexualpraktiken nichts für Kinder. Das impliziert natürlich vor Kindern keinen Sex und eben auch kein BDSM zu praktizieren. Nochmal deutlich: Sexuelle Handlungen vor den Augen von Kindern sind nicht vertretbar. Ob die Pride deswegen kein Ort für Kinder ist, bleibt eine schwierig Frage. Denn einerseits werden Kinder früher oder später mit nicht-heterosexuellen Neigungen – und eben auch mit BDSM – konfrontiert. Irgendwann konsumiert ein Kind Medien. Da gibt es viele Dinge, die man als Erwachsener erklären sollte. Es ist unsere Aufgabe die Flut an Informationen für Kinderaugen zu filtern und kindgerecht aufzubereiten.
Letztendlich bleibt auch noch zu erwähnen, dass eine Pride-Veranstaltung kein Familienfest ist und auch nicht sein möchte. Wer teilnimmt oder zusieht hat ja eine Vorstellung was ihn/sie erwartet. Die Pride ist kein Faschingsumzug, sondern eine Demonstration von und für erwachsene Personen. Ja, Anwohner:innen und Passanten sind davon unfreiwillig betroffen. Aber Torben, wenn du keine halbnakten Frauen und Männer auf der Straße sehen willst, auf der du deinen Sohn in die Kita bringst, dann zieh vielleicht endlich weg aus Berlin Mitte. Danke.
Ausgrenzung, Ablehnung, Stigmata
Der Pride-Month soll ein Motto schaffen, jede Sexualität zu feiern. Besonders die jener Personen, die leider noch häufig dafür ausgegrenzt und vorverurteilt werden. Ich sehe hierbei auch Raum für BDSM- und Kink-affine Menschen. Denn genau wie (alle anderen) queere(n) Personen, haben Kinkster aufgrund ihrer Neigungen mit Stigmatisierung und Ablehnung zu kämpfen. Dass es psychisch extrem belastend sein kann seine sexuelle Identität nicht frei ausleben zu können, steht außer Frage.
Nein, es geht nicht darum, dass Beate und Lars sich gegenseitig im Stadtpark auspeitschen wollen. Es geht darum, dass ich keine Angst haben muss, wenn mein Arbeitgeber mein Profil bei Fetlife findet (weil er sich selbst dort rumtreibt hihi). Es geht darum bei der Familienfeier sagen zu können, auf welcher Messe man am Wochenende war. Es geht darum Freuden erzählen zu dürfen, welche Struggles man mit dem/der Spielpartner:in hat. Oder darum, dass in der Kita ein Kind nicht ausgeschlossen wird, weil die Mama als Domina Geld verdient.
Wir Kinkster wollen nicht, dass ihr alles gut findet was wir machen. Ihr müsst auch nicht alles verstehen. Es ist uns völlig egal, was ihr im Schlafzimmer macht. Wir wollen nur, dass es euch auch egal ist, was wir im Schlafzimmer machen (oder im Keller, im Puff, im Studio oder mit eurer Tante im Hotel). Wir wollen als ganze Menschen gesehen werden, nicht als hartgesottene (oder weichgeklopfte) Personen, die nur aus erregtem Fleisch bestehen. Vielleicht sind wir nicht queer, vielleicht doch. Vielleicht findet ihr uns nicht queer genug. Aber solange man uns auf queeren Veranstaltungen willkommen heißt, wir uns angesprochen fühlen und mit Freude und Verantwortung teilnehmen – sind wird Teil der Pride.
Pride with me
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