Ich hasse Reisen. Kennt ihr diese süßen Influencer Girls auf Instagram, deren Feed voll ist mit idyllischen Sandstränden, luxuriösen Infinity Pools und tropischen Frühstücksbowls auf gebräunten Schenkeln? Alles ist perfekt, die Beach-Waves, der Sonnenuntergang und das Floating Breakfast. Es geht von Ibiza nach Bali, über Marrakesch auf Fuerteventura, Dubai im Winter und selbst isländisches Ödland wird zur pinteresken Shooting-Location. In deren Bio findet ihr selbstverständlich das Wort „travel“ oder mindestens ein Flugzeug Emoji. Es scheint, als ob Reisen eine grundsätzliche Lebenseinstellung wäre! Ich bin das genaue Gegenteil solcher Menschen. Ich reise nicht gern. Das heißt nicht, dass ich noch nie irgendwo war, oder es nicht schon anderswo schön fand. Aber man muss mich penetrant zu meinem Glück zwingen. Von allein würde ich niemals auf die Idee kommen, mein Land, meine Stadt oder meinen Alltag zu verlassen. Warum auch? Ich mags hier. Wieso zur Hölle war ich dann sechs Tage in LIBYEN? Ja, man schreibt das so, nicht „Lybien.“ Aber das ist nicht das Einzige, was ich gelernt habe.

Wieso Libyen?

Natürlich muss ich zuerst kurz erklären, was in aller Welt mich geritten hat in ein Land wie Libyen zu reisen. Für alle, die sich jetzt fragen was diesen beschaulichen Fleck Erde…äh Brachland von Spanien und Co. unterscheidet: Libyen belegt auf der Liste der zehn gefährlichsten Länder der Erde den Platz acht. Das liegt vor allem an der angespannten politischen Lage seit dem Sturz von Gaddafi. Disclaimer: Wenn ich in einer Sache noch schlechter als im Reisen bin, dann ist es Politik. Wenn ihr also mehr dazu wissen wollt, dann googelt einfach kurz selbst. In unseren westlichen Medien wird die Lage als bürgerkriegsähnlich beschrieben. Man liest von verfeindeten Milizen, Anschlägen, Terror und Entführungen, denen auch schon Zivilisten und Ausländer zum Opfer gefallen sein sollen. Die Infrastruktur vor allem an Flughäfen wird als bedenklich eingeschätzt. Das Auswärtige Amt warnt ausdrücklich vor Reisen nach Libyen und ruft alle Deutschen zu Ausreise auf.

Aber Kitteh reist ein. Mit ihrem besten Freund Chris, denn der ist Profibodybuilder und hat es sich zum Ziel gesetzt sich für den Mr. Olympia zu qualifizieren. Dazu muss er einen Pro-Qualifier-Wettkampf gewinnen. Chris hatte sich dafür nach langem Überlegen die Ashoor Classics 3 ausgesucht, die Mitte September 2023 in Libyen stattfanden. Als die Frage aufkam, wer ihn begleiten könnte habe ich, die Tragweite meines Angebots nicht ansatzweise realisierend, locker flockig gesagt: „Ich kann schon auch mitkommen, kein Stress.“ Ne, den Stress hatte ich erst zwei Tage vor Abflug, als ich nach einer kleinen Google-Recherche zum Thema Libyen so dermaßen die Hosen voll hatte. So sehr, dass ich tatsächlich noch auf dem Weg zum Flughafen gehofft habe, dass uns ein Reifen platzt und wir den Flieger verpassen.

Kitteh hat die Hosen voll

Ich kann mich noch genau an den Abend vor der Abreise erinnern: Zwei DinA4-Blätter hatte ich beschrieben und auf unserem Küchentisch hinterlassen. Auf einem Stand eine kurze Beschreibung, wie man die Katzen zu füttern und ihre Hinterlassenschaften zu beseitigen hat. Auf dem zweiten Blatt habe ich aufgeschrieben, wer zu kontaktieren ist, wenn mit meiner Rückreise etwas schief geht. Der letzte Absatz trug die Überschrift „Wenn ich sterbe“. Das war auch kein dummer Scherz oder Kitteh-Humor. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben Angst. Richtige Angst, dass mir etwas passieren könnte. Dieses Gefühl kannte ich bisher nur von Erzählungen. Beispielsweise von Freundinnen, die nicht gern im Dunkeln allein Heim gingen. Ich hatte mich noch nie im Leben von irgendetwas oder irgendjemandem bedroht gefühlt. Diese neue Erfahrung war so ekelhaft, dass ich am liebsten alles abgesagt hätte. Aber das hätte ich niemals übers Herz und meinen Stolz gebracht. Chris verließ sich auf mich. Also muss ich da jetzt durch, auch mit vollen Hosen.

Viele gab es nicht, denen ich von unserem Reisevorhaben erzählt hatte. Chris ist ein Athlet, der nicht viel über seine Pläne spricht und lieber als Underdog auf der Bildfläche erscheint. Deswegen habe ich vor gemeinsamen Bekannten sein Geheimnis gehütet. Die Sorgen und Bedenken der Freund:inn:e:n, denen ich von Libyen erzählt hatte reichten mir ohnehin. Einerseits ist es natürlich ein schönes Gefühl anderen Menschen etwas zu bedeuten. Andererseits kann es sehr anstrengend sein permanent jemanden zu beruhigen. Besonders, wenn man im Inneren selbst damit beschäftigt ist nicht an chronischem Reizdarm zu erkranken und die Nerven zu bewahren. Ich war also auch ein kleiner Underdog und habe bis zu Chris‘ phänomenalen Sieg nichts über meinen Standort öffentlich gemacht.

Take off

Der erste Moment, in dem ich gespürt habe, dass ich nicht nur mein Zuhause, sondern auch meine mentale Komfortzone weit hinter mir gelassen hatte, war der Flughafen in Tunis. Unser Anschlussflug nach Mitiga ging in den späten Abendstunden. Ich war die einzige Frau am Gate und neben Chris die einzige Europäerin (sofern ich das einschätzen kann). Wir teilten uns den stickigen Raum mit gut einem Dutzend grimmiger arabischer Männer. Ich kann nicht genau beschreiben woran es lag, aber es lag etwas Seltsames in der Luft. Ein komischer Vibe, der mich einschüchterte.

Zu meiner Leggins und dem weiten T-Shirt meines Mannes trug ich eine Cap, unter der meine zurückgebunden Haare nicht zu sehen waren. Als ich das Gate kurz verließ um Chris und mir zwei Flaschen Wasser zu kaufen, zog ich die Kapuze meiner Trainingsjacke über die Cap. Der Mann, bei dem ich die Wasserflaschen bezahlen wollte, würdigte mich keines Blickes. Seine Kasse schien ihm besser zu gefallen als ich in meinem Penner-Outfit. Auch als ich mit dem charmantesten Klingeln in der Stimme fragte, ob ich auch in Euro zahlen könnte, antwortete er nur ruppig und einsilbig, ohne mich anzuschauen. Kein Lächeln, keine Freundlichkeit. Als ich zu Chris zurückkehrte fragte dieser: „Dir geht’s gar nicht gut oder?“ „Passt schon.“, antwortete ich. „Sieht man dir an.“, ließ Chris mich wissen. Tat man das? War ich… unsicher? Ich? So kannte ich mich nicht. Um vier Uhr nachts mit der S2 nach Hause fahren? Mit der Nasenspitze ganz oben an jeglichen besoffenen Halbstarken vorbeistolzieren die Münchens Hauptbahnhof hergibt? Kein Problem. An einem tunesischen Flughafen nach Einbruch der Dunkelheit Wasser holen? Alles in mir schrie plötzlich nach einer Umarmung.

Willkommen in Libyen

Hätte ich gewusst, was mich zwei Stunden später bei unserer Ankunft in Mitiga erwartete, hätte ich diese Umarmung definitiv von Chris eingefordert um mich nochmal zu stärken. Aber was dann passierte, damit konnte niemand rechnen. Vom Rollfeld aus wurden die Passagiere im Flughafengebäude sofort in zwei Reihen geteilt, Einheimische und Ausländer. Wir wollten uns gerade korrekt einreihen, da erinnerte ich Chris daran, dass er zum 64. Mal aufs Klo musste. Das sollte er vielleicht besser gleich erledigen, bevor wir ewig mit unseren Visa an der Passkontrolle festhängen. Die fünf Minuten, die er mich daraufhin allein lies kamen mir vor wie 20 und ich verbrachte sie damit meine Kapuzen-Cap-Schleier-Simulation noch tiefer in mein Gesicht zu ziehen und die Schnürsenkel meiner Nikes anzustarren.

Der Gang, dem wir laut der Beschilderung folgen sollten war gesäumt von Männern, die uns anstarrten. Ich kann das Verhältnis zwischen Männern und Zivil und in Uniform nicht mehr exakt wiedergeben. Denn im nächsten Moment strecke einer von ihnen fordernd seine Hand nach uns aus und raunte „Passports!“ Wie hypnotisiert von den vorangegangenen Passkontrollen und Sicherheitsmaßnahmen, bei denen wir unsere Dokumente aushändigen mussten, reichten Chris und ich auch jetzt automatisch unsere Reisepässe. Nur dass der Mann diesmal einfach damit abhaute! Ein anderer meinte: „Come with me.“ und führte uns hinter eine Sperrholzabtrennung, hinter der sich mehrere schäbige kleine Büroräume befanden.

„Jetzt sind wir richtig gefickt.“

In diesen Verschlägen standen Schreibtische auf denen sich Unterlagen türmten. Darum herum herrschte geschäftiges Treiben. Arabische Männer, die wie wild in Ordnern blätterten, von einem Zimmer ins nächste eilten und Dokumente kopierten. Dabei rauchten sie und schrien sich immer wieder gegenseitig an. Wahrscheinlich haben sie gar nicht geschrien, sondern nur normal miteinander gesprochen, jedoch hört sich die arabische Sprache für unsere westlichen Ohren schnell nach vehementem Schimpfen an. Da kann es sein, dass einer nur erzählt, dass Feigen gerade im Sonderangebot sind oder seine Tochter bald in die Schule kommt. Für uns hört es sich an, als ob verschiedene Möglichkeiten der Exekution besprochen werden.

Beunruhigt von dieser bizarren Szenerie und der Tatsache, dass wir keine Ahnung hatten, was nun mit unseren Reisepässen passierte, versuchen wir uns zu erkundigen was los war. Aber die einzigen Worte, die wir verstanden, waren „No problem.“ und „Sit down!“ Dabei deutete einer der Männer auf eine Ledercouch. Diese war nicht nur bis auf die Federn aufgeschlitzt, sondern auch so durchgesessen, dass wir mit unserem Wettkampfgewicht von zusammen knapp 180 Kilo mehr oder weniger direkt auf dem dreckigen Fliesenboden saßen. In diesem Moment konnte ich nicht mehr denken. Ich war gelähmt vor Angst. Das war keine Panik mehr. Panik ist ein mentaler Katalysator für schnelles Überlegen und Handeln. Aber über diesen Punkt war ich schon hinaus. Ich war taub vor Angst. In meinem Kopf schwirrten Worte wie „Entführung“, „Festnahme“ und „Geiselnahme“. Ich weiß nicht mehr, ob ich es nur gedacht oder tatsächlich zu Chris gesagt habe, als ich im Augenwinkel zu ihm rüber schaute: „Ich glaub jetzt sind wir richtig gefickt.“

Lost in Libyen?

Du willst wissen, wie es weiter ging? Wie haben wir es aus dem Flughafen geschafft und ist Libyen wirklich so gefährlich? Was ich auf dieser Reise über mich gelernt habe und warum ich mich jetzt oft mit anderen Augen sehen kann, habe ich in 5000 spannenden und unterhaltsamen Worten festgehalten.

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