Mit Emotionen ist es so eine Sache … sie beherrschen unser Denken, Handeln und Fühlen. Wir können meistens gar nicht ohne sie. Sie stärken uns, lassen uns fliegen, lachen, Freude empfinden, treiben uns aber auch in die tiefsten Abgründe, Liebeskummer, Trauer, Wut, Verzweiflung. Für uns Menschen sind Emotionen wichtig. Was aber, wenn genau diese Emotionen missbraucht werden? Wenn man anhand ihrer manipuliert oder gar missbraucht wird? Und was ist das eigentlich, emotionaler Missbrauch, von dem man immer wieder hört? Wie äußert sich emotionale Erpressung oder emotionale Manipulation?

Emotionale Erpressung oder Manipulation passiert dann, wenn ein Mensch versucht, einen anderen Menschen strategisch anhand von Emotionen (oder deren Entzug) zu lenken. In vielen Fällen ist es den Beteiligten gar nicht richtig bewusst, was eigentlich gerade in ihrer zwischenmenschlichen Dynamik geschieht. Das ist das Gefährliche daran: Emotionale Manipulation schadet langfristig, weil sie das eigene Denken und Fühlen in Mitleidenschaft zieht und beide (Opfer wie Täter) im Miteinander verunsichert.

Emotionale Erpressung kann viele Formen haben:

  • Erzeugung von Schuldgefühlen („Deinetwegen habe ich auf so Viel verzichtet.“, „Wegen dir bekomme ich Herzprobleme.“)
  • Androhung von Trennung, Scheidung, Selbstmord („Wenn Du nicht … dann beenden wir unsere D/s eben!“
  • Vergleich mit anderen Menschen („Eine gute Sub/mein letzter Dom/meine Freundin macht das auch…“)
  • Verpflichtungen in Erinnerung rufen („Du hast es mir doch versprochen, dass …“)
  • Loyalitätsfrage aufbauen („Ich dachte, du stehst zu mir…“)
  • Durch die Opferrolle Schuldgefühle erzeugen („Mir geht es nicht gut, wenn du so mit mir sprichst, bitte unterlasse das, ich kann das gerade nicht…“)
  • Eigenwerbung („Immer kaufe ich für uns ein, während Du dich um nichts kümmerst“)

Krass, oder? Jeder von uns kennt diese Beispiele in der ein oder anderen Form. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um einen BDSM-Kontext handelt, am Arbeitsplatz, in der Beziehung, zwischen Freunden. Und jeder von uns kennt solche Beispiele aus beiden Sichten – mal als „Erpresster“, mal als „Erpresser“. Doch wo verläuft die Linie zu echter emotionaler Erpressung?

Meiner Meinung nach ist die Linie dort, wo Menschen nicht (mehr) auf Augenhöhe miteinander offen darüber kommunizieren können. Die Beziehung bewegt sich ausschließlich oder hauptsächlich innerhalb dieser Dynamik und ein konstruktiver, reflektierter Umgang mit solchen Aussagen ist nicht möglich. Darüber hinaus ist die Motivation dahinter wichtig. Wenn jemand sagt, er kann eine Beziehung unter den Umständen X und Y nicht weiterführen, etwa weil seine eigenen Grenzen erreicht sind, dann ist das eine persönliche Abgrenzung und ein Fakt, keine Erpressung oder Manipulation.

Der Erpresser sieht sich häufig selbst in der Opferrolle. Er macht ja gar nichts. Oder er macht ja alles. Und alle sind gemein zu ihm. Niemand versteht ihn. Keiner kann nachvollziehen, was er meint. Häufig hat es mit einem geringen Selbstwertgefühl des Täters zu tun, mit Angst, verlassen zu werden oder dem Schrei nach Aufmerksamkeit. Häufig wird nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ gehandelt: Man geht in die Angriffshaltung, macht Vorwürfe, droht mit dem Entzug der Nähe / Liebe / Vertrauen und dann dreht man sich wieder und geht in eine extreme Nähe, durch die der Erpresste dann dankbar ist, den Partner nicht verloren zu haben, wodurch die Abhängigkeit noch stärker wird.

Der Erpresste befindet sich dabei immer in einem Dilemma: Entweder versucht er die Forderungen des Erpressers zu erfüllen und hat das Gefühl, unter Zwang zu leben, oder er erfüllt die Forderungen nicht und hat ein schlechtes Gewissen. Langfristig schadet das einer Beziehung, da Unsicherheit, Angst, Zweifel immer lauter werden.

Was kann man also tun?

In erster Linie muss man sich erst einmal darüber bewusst werden, dass man erpresst wird. Man muss die Mechanismen erkennen, die dahinter stecken und sich selbst reflektieren. Wie reagiert man, wenn man solche Aussagen zu hören bekommt? Springt man sofort? Fühlt man sich direkt schuldig? Setzt man alles daran, die Forderungen zu erfüllen? Verzichtet man auf Dinge, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen? Emotionale Erpressung und Manipulation ist oft subtil, allerdings haben wir Menschen oft ein hervorragendes Instrument, um Dinge zu prüfen: Intuition aka Bauchgefühl. Darauf kann und sollte man auch hören.

Das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, ist ein weiterer Punkt, mit dem man sich gegen emotionale Erpressung wehren kann. Wenn man sich SELBST stärker BEWUSST ist, kann man lernen, dass man einen anderen Menschen, seine Nähe, seine Liebe NICHT unbedingt braucht, vor allem dann nicht, wenn diese Person eher schlecht für einen ist. Darüber hinaus ist es wichtig, sich mit Selbstreflexion auseinanderzusetzen und damit, Feedback zu geben. Es ist wichtig, dem Gegenüber klar zu machen, dass man eigene Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen hat. Man nimmt dadurch das Gegenüber nicht weniger wahr, sondern sorgt dafür, dass eine Beziehung (in welcher Art auch immer sich diese gestaltet) harmonischer und gleichberechtigter von statten geht.

Grenzen setzen ist immens wichtig. Wer für sich selbst sagt „bis hierher und nicht weiter“ sorgt für eine klare Kommunikation und eine deutliche Haltung. Vor allem auch Gespräche mit anderen Menschen, außerhalb einer Beziehung, können helfen, Grenzen zu definieren oder das eigene Verhalten zu reflektieren und / oder zu schärfen. Es ist völlig okay, etwas für seinen Partner zu tun – es ist aber auch völlig okay, Nein zu sagen, ohne, dass es bedeutet, wir würden den Partner nicht mehr wertschätzen. Wenn alles andere nicht mehr hilft, ist dann leider am Ende nur noch die Distanz eine Möglichkeit, der emotionalen Erpressung zu entfliehen.

Emotionale Erpressung im BDSM

Im BDSM geht es häufig um sehr starke und intensive Gefühle. Das ist etwas Wunderbares, sowohl auf Sub- als auch auf Top-Seite. Es hat Potential zur Sucht, wenn man diese Gefühle immer und immer wieder haben möchte und damit entsteht hier auch ein großes Potential für emotionalen Missbrauch. Man erreicht miteinander schnell eine Tiefe, die man in anderen Beziehungen oft über Wochen oder Monate hinweg erst aufbauen muss.

Wir kennen alle die Geschichten von den „Dumm-Doms“, die Subs (und dabei gerne Neulingen) erzählen wollen, dass eine gute Sub dieses oder jenes tun muss.

Ein paar Beispiele?

„Meine vorherige Sub hat das IMMER gemacht.“
„Wenn du das nicht machst, bist du kein richtiger Sub.“
„Ich muss nicht mit dir spielen. Ich habe noch andere Optionen. Also tu, was ich von dir will.“
„Grenzen sind doch dafür da, um aufgelöst zu werden.“
„Als Dom bestimme ICH, was ich mit dir mache, sonst kannst du gehen.“
„Mein letzter Dom hat mich härter geschlagen.“
„Du bist sehr wichtig für mich.“ -> Kontaktabbruch.
„Ich kann dich nur ernst nehmen, wenn du dieses oder jenes machst.“
„ICH bin DOM, ich entscheide, wann du gut genug für mich bist, dass ich mich mit dir befasse.“

Die Geschlechterrolle ist dabei völlig egal. Es kommt in allen Konstellationen vor. Und ist brandgefährlich, denn neben der psychischen Komponente kommt bei BDSM häufig der körperliche Aspekt dazu. Wenn ich emotional dazu getrieben werde, mich körperlich missbrauchen zu lassen, weil ich Angst habe, ich verliere mein Gegenüber sonst, dann läuft was gehörig falsch.

Seid wachsam. Achtsam. Macht euch euer eigenes Bild von Situationen, hinterfragt, reflektiert, sprecht mit anderen Menschen über eure Gefühle, Erfahrungen und Empfindungen. Folgt nicht blind. Seid kritisch, traut euch. Nicht nur, aber auch, im BDSM.

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