Vor einiger Zeit tweete ich einen Aufruf. Ich wollte gerne Stimmen haben, die mir etwas über ihren Kink zur Feminisierung bzw. Sissifizierung erzählten. In meiner Vorstellung war es einfach. Menschen, die sich im Rahmen von BDSM-Sessions mit dem Thema beschäftigten. Männer, die sich gerne erniedrigen ließen bzw. sich dadurch ihrem Mann-Sein ein Stück weit entfernten. Ich bekam sehr viele Nachrichten (und ihr werdet ALLE zu Wort kommen, bitte entschuldigt, wenn ich mich noch nicht wieder gemeldet habe, aber ich habe alles gelesen und ihr bekommt Rückmeldung und Gehör!) und schon nach wenige Nachrichten spürte ich, dass das Thema viel mehr ist, als nur eine Spielmöglichkeit.

Es hing so viel mehr daran. Eine Welt, mit der ich nicht gerechnet hatte. Eine Welt, die tiefe Sehnsüchte behandelt, Ablehnung und sogar Mysogyne – obwohl ich das in meinem Kopf nicht einmal in irgendeiner Art und Weise gesehen habe. Es wird eine Artikelreihe zu diesem Thema geben. Vorerst möchte ich euch aber ein Interview zum Lesen (und Nachdenken) geben, das ich mit doppelwertig geführt habe.

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Wie bist du auf deine Vorliebe gestoßen?

Als Transperson bezeichne ich es mal als etwas Natürliches sich mit Crossdressing, Feminisierung und Sissys auseinanderzusetzen. Daran kommt man quasi nicht vorbei. Es war für mich nicht einfach einen Standpunkt zu entwickeln und ich habe mir sehr viel Zeit gelassen. Zuerst einmal war da dieser durchtriefende Frauenhass, der sich in all der Erniedrigung durchblicken ließ. Jemandem vorzuwerfen, dass er lächerlich aussieht, alles falsch macht, sowas gar nicht tragen sollte – sehr schwierig für mich. Ich lebe doch die Meinung, dass Kleidung für Körper geschaffen wird, nicht für das was die Gesellschaft in diesem Moment als Geschlechter definiert. Es gibt nur Menschen. Sowas wie Crossdressing als Konzept ist also schlicht Bullshit. Du trägst was dir gefällt. Ende. Dieses Gedankenspiel musste ich mit der “normalen” gesellschaftlichen Gegebenheit in Einklang bringen. Wieso ist es witzig und lächerlich, wenn ein Mann ein Kleid mit Heels trägt? Wieso ist es erniedrigend rosa zu tragen? Diese Eingrenzungen haben mich traurig gemacht. Natürlich sind wir alle misogyn gesellschaftlich erzogen und es ist falsch jemandem das vorzuwerfen.

Dennoch musste ich entscheiden, wie und ob ich damit umgehen möchte. Ich begegnete vielen Männern, die Crossdressing liebten, aber Transgender (ausschließlich Transfrauen) ablehnten. Da war eine “ich bin trotzdem ein Mann und will gar keine Frau sein” Haltung, die aus einer “ich bin besser” Mentalität erwuchs. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich lebe nicht-binär und spüre schnell ob mich jemand als weiblich sieht. Meine Identität ist mir wahnsinnig wichtig. Merke ich, dass jemand sich nicht in einer Zwischenwelt aufhalten kann wird es schwierig. So entschied ich nur enge Kontakte für Menschen auf meinem Level zuzulassen. Vielfach hat das zu Diskussionen geführt. Diese mündeten gleichermaßen oft in Einsicht, Selbstarbeit und Dankbarkeit, wie auch in Kontaktabbruch. Den inneren Hass auf Frauen zu bearbeiten ist eine harte Sache. So entschloss ich mich dieses Thema fast ausschließlich in einen Bereich zu schieben: FINDom. Ich musste überlegen was ich für Geld anbieten will. Ist es mir da egal wie mich jemand sieht? Ist es mir egal, dass hinter dem rosa Röckchen Frauenhass steht? Die Antwort lautete ja. Auf finanzieller Basis mache ich Abstriche. Natürlich lasse ich nur Menschen zu, die mir auch angenehm sind. Sollte ich die Motive aber durchblitzen sehen, wird zwischen uns mehr als nur die professionelle Distanz bleiben.

Was macht für dich den Reiz aus?

Der Reiz liegt für mich vor Allem darin, anderen das Gefühl zu geben schön zu sein und sich wirklich schön fühlen zu dürfen. Dicht gefolgt von meiner Liebe für Kleidung, sowie andere ein- und anzukleiden. Es gibt nichts tolleres als gemeinsames Shopping und dieser verstohlene “darf ich das wirklich?” Blick dabei. Zu erklären welcher Schnitt für die Figur perfekt geeignet ist, welche Materialien sich gut vertragen, in welchen Teil des Outfits man besonders viel Geld investiert, in welchen nicht…all das ist wunderbar. Diese Freiheit zu erleben, mitzufühlen und Freude zu spüren ist einmalig. Ich liebe es Wärme und Verständnis in einer Welt voller Hass zu spenden. Geht es direkt um Erniedrigung reizt mich nur das Machtgefühl. Erniedrigung liefere ich nur auf FIN Basis. Ich möchte niemandem den Hass ins Gesicht schlagen lassen, den ich auf der einen oder anderen Ebene liebe. Es ist kein Problem mit Erniedrigung wie kleine Penisse, Versagen oder andere Beschämung einzusetzen. Da mir das Thema Geschlecht aber so dermaßen nah geht, kann ich das einem geliebten Menschen nicht bieten.

Gibt es Ängste, die du in Bezug auf deine Vorliebe hast?

Generell meinen Sub nicht vor ungewollter Scham schützen zu können. Wenn beispielsweise Scham kein Teil unseres Spiels ist und sich eine vanilla Person lustig macht gehe ich hoch wie eine Bombe. Wenn jemand meinen Schützlingen dumm anmacht gibt es Tote. Umso mehr, wenn es um die Kleidungsfreiheit geht. Ich sehe sehr oft die Abscheu der Masse auf Partys. Wenn es nicht gerade die super extrovertierte Drag-Queen oder perfekt schlanke, niedliche Transsub ist, hagelt es Ablehnung. Je weniger der Schützling wirklich “als Frau” durchgeht, desto mehr wird abgelehnt. Das ist mega traurig, besonders wenn das eigentlich nicht gewünscht ist – wenn Erniedrigung kein Teil des Fetisches ist. Du möchtest einfach nur schön sein und wirst angegiftet. Sehr verletzend. (Ich kürze das mal ab, weil es alles zu Kleidungselite, Bodyshaming, Ageshaming, Passing und Schönheitszwang gehört.)

Was macht für dich eine/n gute/n Spielpartner/in aus?

Wie oben genannt sollte das Fetisch auf dem Wunsch nach Freiheit, der Liebe zu Schönheit und Kleidung bestehen. Dressup und Makeup sollten als großartig empfunden werden. Umso besser, wenn diese Liebe in den Alltag über geht. Devotion und Lernwunsch ist großartig. Hier mag ich Aufmüpfigkeit weniger. Schüchternheit und Neugier finde ich charmant.

Auf welche Schwierigkeiten stößt du in Bezug auf deine Vorliebe, vor allem, was das Ausleben angeht?

Siehe oben :”D und… Es ist schon passiert, dass jemand zu mir kam, der unheimlich gerne feminine Kleidung tragen wollte, sich aber wie (Zitat) “ein alter Tanzbär” vorkam. Er hat sich selbst nicht als schön empfunden, war sich aber sicher, dass es nur an der Kleidung läge, und ICH sicher in der Lage sei, das richtige Outfit zu finden. Das funktioniert aber nicht. Unsere Schützlinge müssen sich selbst genug lieben und sich generell in femininer Kleidung nicht gedemütigt fühlen. Ansonsten wird es niemals ein Outfit geben, dass ihnen die gewünschte Freiheit gibt. “Mann-sein-müssen”(ebenso wie Frau-sein-müssen) ist etwas unglaublich Einsperrendes. Manch einer kann es durch Kleidung überwinden, andere hassen sich selbst nur noch mehr für den Wunsch. Hier sollte eher Hilfe in Form von einem LGBTQ Zentrum und/oder einem empfohlenen Transtherapeuten gesuchten werden.

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Danke noch einmal an doppelwertig für dieses Interview.

Wie sind eure Erfahrungen? Wie ist eure Meinung? Teilt sie mit uns.

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